Und dann kommt der Moment in Deinem Leben, in dem Du merkst, daß nicht alles zu Deiner
Zufriedenheit läuft. Sehr oft ist dieser Punkt mit einer Situation verbunden, in der Du
einer Katastrophe in Deinem Leben gegenüberstehst, also ein einschneidendes Erlebnis.
Zuerst denkst Du vielleicht, daß Du Dich wegen dieses Ereignisses so schlecht fühlst,
doch bei näherer Betrachtung entpuppt es sich als der Tropfen, der das Faß zum
Überlaufen bringt. Wenn man es genau betrachtet, sind die Dinge schon eine lange Zeit
schiefgelaufen.
Wenn diese Situation sich als permanent darstellt und nicht nur eine kurze Lebenskrise
ist, erkennst Du, daß eine konventionelle Lösung der Probleme nicht mehr möglich ist.
Du willst Deine Probleme nicht einmal mehr lösen. Es macht keinen Sinn, sich selbst
weiter anzulügen und so weiter zu machen, als ob alles o.k. wäre. Irgendjemand hat
einmal gesagt, daß es möglich ist, andere eine lange Zeit anzulügen, aber mit
Sicherheit kommt der Tag, an dem Du es nicht mehr Dir selbst gegenüber kannst.
Du fühlst Dich wie von einem anderen Stern und diesen ständigen Daseinsschmerz zu
besiegen wird zu Deinem ersten und einzigen Gedanken. Es ist das erste, woran Du morgens
beim Aufstehen denkst und das letzte beim Zubettgehen. Tatsächlich hilft Dir der Gedanke
an den eigenen Tod sogar, in den Schlaf zu finden. Wenn es keine Hoffnung, keine Träume
mehr gibt, keinen Grund Tag für Tag weiterzumachen, ist der Entschluß, dem allem ein
Ende zu setzen, in meinen Augen legitim. Es ist die schwerste Entscheidung, die Du in
Deinem ganzen Leben zu treffen hast, doch diese Entscheidung sollte vollständig
akzeptiert werden, wenn:
- es wirklich Dein eigener und unbeeinflußter Entschluß ist
- Du Dich alt genug fühlst, solch eine Entscheidungen zu verantworten
- Du lange und intensiv darüber nachgedacht hast
- Du die Konsequenzen Deines Handelns (oder Unterlassens) bedacht hast
Für mich ist das Altwerden einer der erschreckendsten Gedanken. Ich habe absolut
nichts gegen ältere Leute, aber ist
es nicht eine absolut erschreckende Vorstellung, 70 oder 80 zu werden und auf das eigene
Leben zurück blicken zu
müssen ? Wenn ich durch die Straßen gehe, sehe ich immer wieder alte und einsame Leute
im Supermarkt oder auf einer Bank im Park. Viele sehen wirklich alleine und traurig aus.
Ich kann mich recht gut in ihre Lage hineinversetzen. Ich müßte auf ein leeres,
sinnloses, schmerzhaftes, illusionsloses und einfach ärgerliches Leben zurückblicken und
würde mir sicherlich Vorwürfe machen, dies alles nicht beendet zu haben, als ich noch
jung war und die Kraft und den starken Willen hatte, um es durchzuziehen.
Selbst an meinen weniger lebensunlustigen Tagen genügt nur ein Funke dieser Vorstellung,
um mich sehr leicht sehr depressiv werden zu lassen. Du magst es durch diesen Tag
schaffen, Du magst die Sinnlosigkeit und den Schmerz verdrängen, aber den Fluß der Zeit
kannst Du nicht aussperren. Ich bin noch nicht einmal 30 aber tatsächlich fühle ich mich
sehr alt und müde. Als ob ich alles schon gesehen hätte.
Wenn ähnliche Gedankenzüge in Deinem Kopf sind, wenn Du Dir ähnlich sicher wie ich bist, weißt Du, was ich meine. Dann hast Du meines Erachtens das Recht, solch eine drastische und wichtige Entscheidung zu treffen und Du wirst sie vor Dir selbst rechtfertigen können.